Wenn der Brautag zu Ende ist, darf der Benni auf die Couch und die Würze (daraus wird mal das Bier) zum Gären in den Eimer. Im Gäreimer sollte es ruhig, dunkel und weder zu kalt, noch zu warm sein. Nur dann kann die Hefe ordentlich arbeiten, was sie mit Blubberblasen im Gärspund die ersten Tage anzeigen sollte. In dieser Zeit schaue ich täglich nach meinem jungen Bier.

Aber wann ist das Bier fertig zum Abfüllen in Flaschen? Vereinfacht gesagt: Wenn der Großteil des Zuckers von der Hefe weggeknuspert und in Alkohol umgewandelt wurde. Darüber gibt der Endvergärungsgrad (EVG) Auskunft: Wie viel Zucker wurde verarbeitet? 70-80 Prozent EVG sind für die meisten Biere ein guter Ziel-Wert.

Bierspindel versus Tilt Hydrometer
Oben: Bierspindel mit Skala. Unten: Tilt Hydrometer. © silverraybrewing.de

Zum Berechnen des EVG brauchen wir die Stammwürze, das ist im Wesentlichen der Zuckeranteil in der Würze. Aus der Differenz vor der Gärung und danach lässt sich der EVG berechnen. Es sind also mindestens zwei Messungen nötig!

Bierspindel: analog und oldschool

Die Stammwürze kriegen wir über die Dichte der Würze, gemessen in Grad Plato. Und die Dichte holen sich viele Hobbybrauer mit der Bierspindel. Das ist ein gläsernes Messinstrument, das je nach Dichte der Flüssigkeit mehr oder weniger Auftrieb hat und so einen anderen Wert auf der Skala anzeigt.

Die Bierspindel-Methode hat zwei Nachteile. Die zum Testen benötigte Würze musst du wegkippen 🥹. Das wird deinen Bier-Ertrag am Ende schmälern. Und außerdem darfst du jedesmal dein Equipment neu putzen und musst höllisch aufpassen, dein Bier nicht zu verunreinigen! In der Folge machen viele diesen Test entweder gar nicht oder nur zweimal - verständlich.

Tilt: data driven cloud based tracking

Aus diesem Grund habe ich mir den Tilt Hydrometer von Baron Brew Equipment gekauft. Der kleine Tilt ist eine wasserdicht eingepackte Platine, die alle 15 Minuten (wahlweise auch weniger oft) die aktuelle Temperatur und Dichte per Bluetooth an mein Smartphone funkt. Zum Einsehen muss ich die kostenlose Tilt-App nutzen, die gibt es für Android und iOS.

Tilt Hydrometer schwimmt im Bier
Es gibt keinen An-Schalter beim Tilt. Er wird automatisch aktiv, sobald er in Flüssigkeit eintaucht. Dabei taucht er nie ganz unter, sondern bleibt wie ein Eisberg zu einem kleinen Teil an der Oberfläche. © silverraybrewing.de

Dashboard-Feature

Die Tilt-App erlaubt wesentlich mehr als einen schnellen Blick auf den aktuellen Status. Sie verfügt über eine (optionale) Logging-Fuktion und legt dann alle getrackten Daten in einem Google Docs File online ab. Die Autoren fügen gleich einige Formeln hinzu, etwa zur Berechnung des Endvergärungsgrades oder des Alkoholgehalts.

Für dieses Tracking muss das Smartphone aber immer in Reichweite sein. Ferner sollte die App geöffnet bleiben und das Display always on sein - also nicht ausgehen. Ich löse das, indem ich ein ausgedientes Samsung-Smartphone, an den Strom angesteckt, daneben lege und zum Akku-Schonen die Bildschirmhelligkeit maximal herunterregele. Ich nutze die App “Screen Alive - keep screen on”, um den Bildschirm nie ausgehen zu lassen.

Tilt Hydrometer Auswertung in Google Docs
Die vorgefertige Google-Docs-Ansicht der Tilt-Macher, komplett mit einigen Formeln und einfachen Graphen. © silverraybrewing.de

Mir war diese Ansicht nicht genug, also habe ich sie in Googles Looker Studio als Dashboard nachgebaut. Im wesentlichen befinden sich die gleichen Elemente im Dashboard wie in Google Docs, allerdings hübscher aufbereitet und mit der ein oder anderen zusätzlichen Formel ergänzt. Das Dashboard teile ich mit Freunden und kann selbst unterwegs immer einen Blick auf mein Bier werfen.

Mein Dashboard der Tilt-Daten in Google Looker Studio
Mein Dashboard in Google Looker Studio bietet mehr oder weniger die gleichen Daten, aber in hübscher. © silverraybrewing.de

Batterie-Wechsel

Der Tilt arbeitet mit einer 3-Volt-Batterie Typ CR123A. Die soll je nach Nutzung 12 bis 24 Monate halten. Ich habe zum jetzigen Zeitpunkt in rund 1,5 Jahren sechs Sude damit gemessen - zuletzt vom Weltuntergangsbier Pale Moon Resurrection - und noch hat der Tilt Saft. Das Wechseln der Batterie wird etwas Fingerspitzengefühl erfordern. Schließlich soll das Ding wasserdicht bleiben und nach dem Wechsel muss der Tilt neu kalibriert werden. Zum Glück gibt es eine Anleitung inklusive Youtube-Video dazu. Ich werde hier berichten…

Fazit

Ich bin mit dem Tilt sehr glücklich. Zwar kostet er mit 135 Dollar das fünf- bis sechsfache einer Standard-Bierspindel, aber fairerweise muss gesagt werden, dass er auch deutlich mehr kann als die gute alte Bierspindel. Als Tech-Nerd war ich vom Tracking und der Möglichkeit, meine Bier-Daten auszuwerten, von Anfang an sehr angetan!
Auf der Haben-Seite stehen außerdem weniger Bier-Schwund, weniger Putzen und einen Blick auf den EVG auch unterwegs!